Hunderttausend Euro für einen Papagei – Reportagen

Über Serbien werden exotische Vogelarten aus Afrika in die EU geschmuggelt. Viele der bedrohten Tiere sterben während des Transports. Für die Natur ist der Schaden enorm.

NEMANJA RUJEVIĆINGRID GERCAMANATHALIE BERTRAMSTRISTEN TAYLOR (TEXT)

Graupapageien gelten als schwer zu züchten, wenn sie in Käfigen gehalten werden. Aber der 67-jährige Halid Redža lächelt darüber nur hinweg, wenn man ihn darauf anspricht. In seiner Küche in einem ruhigen Viertel von Zemun leben fünf Paare aus Afrika in Käfigen, in der Natur sind sie fast ausgestorben. Bei Redža schlüpften im vergangenen Jahr elf Jungvögel. «Sie sind emotional, genau wie Menschen. Sie müssen sich mögen, dann paaren sie sich für das ganze Leben. Man muss nur herausfinden, welche Vögel sich mögen», sagt der Vogelhändler.

Halid Redža, genannt Akan, lebt in einem Haus, in dem es nach Vogelfutter riecht. In seinem Büro steht ein Behälter mit Würmern, in einer Vitrine stehen unzählige Fläschchen mit Medikamenten und Vitaminen. Denn die Vögel, die Redža manchmal aus Afrika mitgebracht hat, kommen erschöpft und eiweissbedürftig an. «Es ist sehr wichtig, anhand des Kots zu erkennen, welche Vitamine ihnen fehlen», sagt der Mann mit seiner angenehmen Stimme über die Geräusche der Papageien und die laufenden Fernsehnachrichten hinweg.

Früher war alles anders. Als Kind in den 1960er Jahren beobachtete Redža, wie Strassenkinder aus Zemun, einem Stadtteil von Belgrad, Vögel fingen und sie auf den Märkten verkauften. Niemand hat sich darüber Gedanken gemacht. Heute ist sein Haus als eine Adresse in der Hauptstadt bekannt, bei der man exotische Vogelarten erwerben kann. Von kleinen Finken bis zu imposanten Kakadus.

Der absolute Renner ist ein besonders langlebiger Graupapagei, der sprechen kann. «Manchmal schreien sie die Hunde an, damit sie verschwinden. Das haben sie von mir gelernt», sagt Redža. Ein Graupapagei kostet zwischen achthundert und tausend Euro. In den Niederlanden oder Deutschland sind die Kunden bereit, das Doppelte zu zahlen. In afrikanischen Ländern wie Tansania, das vor einigen Jahren den Export von Vögeln verboten hat, fangen die verarmten Menschen Graupapageien in freier Wildbahn und verkaufen sie für ein paar Dollar an Grosshändler.

Die grosse Marge bedeutet, dass der Handel mit den Vögeln lukrativer sein kann als jener mit Drogen. Die Vereinten Nationen und Interpol schätzen, dass das Geschäft mit wilden Tieren und Pflanzenarten auf dem Schwarzmarkt jährlich zwischen sieben und dreiundzwanzig Milliarden Dollar einbringt. Nach Angaben westlicher Ermittler verläuft ein Teil des Schmuggels exotischer Vögel über die Balkanroute, und zwar durch Serbien. Damit sie in den wohlhabenden europäischen Ländern in Käfigen zwitschern können, wurden einige Arten in Afrika an den Rand des Aussterbens gebracht. Dann werden sie auf riskanten Routen über Serbien weitertransportiert. Nach Schätzungen von Europol überlebt die Hälfte der geschmuggelten Vögel die Reise nicht.

«Schmuggler gibt es überall», sagt Redža. Er weiss, dass viele Vögel aus Serbien die Grenze überqueren. «Offensichtlich haben die Schmuggler ihre eigenen Pläne. Ich habe keine Ahnung, welche das sind.»

Wir sprachen mit Händlern, Polizisten, Experten und Quellen in Guinea, Serbien und Holland, um die Schmuggelrouten zu rekonstruieren. Wenn man Fragen dazu stellt, stösst man oft auf Schweigen. Im Gegensatz zum Drogen-, Waffen- oder Menschenhandel besteht kaum ein öffentliches Interesse am Schmuggel von Vögeln. Viel zu viele profitieren davon im Verborgenen, und dort verbleiben sie auch lieber.

Die Käufer fragen nicht, woher die Vögel kommen

Ein regnerischer Septembertag im vergangenen Jahr: Tausende von Menschen strömen in eine riesige Halle in der zentralniederländischen Stadt ‘s-Hertogenbosch. Ein lautstarker Chor aus Hunderten von Vogelarten hallt von der Decke wider, an der Neonleuchten hängen. Die Vögel sind in Miniaturkäfigen oder Holzkisten zusammengepfercht. Dies ist der AviMarkt, der als der grösste Vogelmarkt Europas beworben wird und auf eine über sieben Jahrzehnte lange Tradition zurückblicken kann.

In den Niederlanden werden zwei Millionen Vögel als Heimtiere gehalten, in der gesamten EU sind es etwa fünfzig Millionen. Viele Tierhalter geben sich nicht damit zufrieden, sich auf Kanarienvögel und Tauben zu beschränken. «Die Menschen wollen immer haben, was jemand anderes hat. Es muss dann noch grösser und teurer sein. Mit Autos ist es dasselbe», sagt Harald Garretsen, während er zwischen den Käfigen mit Finken, Tukanen und den seltenen Graupapageien umhergeht. «Es ist ihnen ziemlich egal, woher die Vögel kommen.»

Garretsen hat sein ganzes Leben lang gegen Windmühlen gekämpft. Seit vier Jahrzehnten versucht  der Inspektor der niederländischen Verbraucherschutzbehörde Wildtierschmugglern auf die Schliche zu kommen. In ‘s-Hertogenbosch sucht er nach Vögeln, die mit gefälschten Dokumenten illegal eingeschleust wurden. Er setzt seine Brille auf und schaut sich vor allem die Beine der Tiere genau an – der Kennzeichnungsring darf nur an Jungvögeln angebracht werden; wenn er an erwachsenen Vögeln angebracht ist, kann Garretsen das erkennen. Letztes Jahr hat er eine grosse Anzahl von Vögeln beschlagnahmt.

Der Inspektor weiss, dass viele Vögel wie Hühner sind, die für die Kriminellen goldene Eier legen, vor allem, wenn sie auf der Liste der bedrohten Arten stehen. Ein Zuchtpapageienpaar kann bis zu 100 000 Euro kosten. «Singvögel werden wegen ihrer Farbe, ihres Gesangs und ihrer vermeintlichen Seltenheit gehandelt. In Europa sind sie ein Statussymbol. Man ist cool, wenn man seltene Vögel hat», sagt Chris Shepherd, Geschäftsführer der Monitor Conservation Research Society. «Niemand will die Vögel, die in der letzten Saison in Mode waren. Sie wollen etwas Neues», so Shepherd.

Die Nachfrage nach frischem Blut

In der Europäischen Union ist nur der Verkauf von bereits in Gefangenschaft gezüchteten Vögeln erlaubt, die Einfuhr von Wildvögeln ist streng verboten. Das Verbot aus dem Jahr 2005 war eine Reaktion auf die Vogelgrippe, die sich aktuell wieder einmal ausbreitet. In den letzten fünfzehn Monaten wurden in Europa etwa fünfzig Millionen Hühner und andere Vögel gekeult, um die Ausbreitung der Seuche zu verhindern. «Aber die Nachfrage nach exotischen Vögeln ist nach wie vor vorhanden», sagt Inspektor Garretsen. «Das bedeutet zweierlei: Der Markt verschwindet im Untergrund und die Preise steigen ins Unermessliche.»

Ein Schlupfloch in den Vorschriften stört José Alfaro Moreno, der bei der Strafverfolgungsbehörde Europol den Kampf gegen den Schmuggel von Wildtieren leitet. Morenos Team hat seine Büros in einem grauen Gebäude in Scheveningen, einem Stadtteil von Den Haag, das für seinen internationalen Strafgerichtshof und die dazugehörige Haftanstalt bekannt ist. «Die Züchter brauchen immer frisches Blut. Sie können nicht ständig Nachkommen von denselben Vögeln züchten, denn sonst züchtet man Brüder und Schwestern.» Hier, so Moreno, kommen die geschmuggelten Exemplare ins Spiel, sie sind das frische Blut. «Die Züchter nehmen die Dokumente des toten Zuchtvogels und ordnen sie einem neuen, geschmuggelten Vogel zu.»

Am Bein des Jungvogels wird ein Identifikationsring befestigt, und niemand kann die Herkunft des Vogels mehr nachweisen. «Auf diese Weise wird der Schmuggel gewaschen. Und die Jungvögel sind legal in der EU», sagt Moreno. Laut Garretsen bevorzugen die Schmuggler Länder, die an die EU grenzen: Serbien, Albanien, die Türkei oder früher auch die Ukraine. Er sagt, dass eine wichtige Route von Afrika nach Belgrad und dann über die ungarische Grenze führt. «Soweit wir wissen, transportieren Kuriere die Tiere meist in Lieferwagen, oft mit Wissen der Grenzpolizei. Ausserdem ist die Grenze zwischen Ungarn und Serbien lang und von Wäldern umgeben. Die Förster kennen die Routen und ihre Gehälter sind bescheiden – sie können sich also etwas dazuverdienen, wenn sie den Vogelschmugglern helfen», sagt Garretsen. Moreno fügt hinzu, dass es bei vereinzelten Transporten um Tausende Vögeln geht. «Der Balkan ist eine Hochburg des Vogelschmuggels», sagte er. «Das sind Fälle von organisierter Kriminalität.»

Die Schmuggelroute für Alles

In einem Belgrader Café am Vračar sitzt eine Beamtin der Staatsanwaltschaft, die nicht möchte, dass ihr Name in den Medien erscheint. Sie sagt, der Polizei in Serbien sei es zwar hin und wieder gelungen, kleinere Tiertransporte abzufangen, aber sie habe noch keine ganze LKW-Ladung beschlagnahmt und auch keine Beweise für organisierte Kriminalität gefunden. «Serbien ist ein Transitland für alle Arten von Schmuggel. Für den Menschen- und den Tierschmuggel wird dieselbe Route benutzt. Aber natürlich sind die Menschen viel wichtiger; niemand kümmert sich gross um Kriminelle, die mit wilden Tieren handeln», sagt die Frau.

«Ich schätze, dass nur einer von tausend Fällen im Gerichtssaal landet. Das liegt vor allem daran, dass die Polizei nicht genügend Beweise sammelt oder dass sie nicht über ausreichende Mittel und Kenntnisse verfügt, um gegen diese Form der Kriminalität vorzugehen. Es handelt sich um ein spezielles Gebiet, für das wir zu wenige Experten haben», fügt der Sprecher der Strafverfolgungsbehörde hinzu.

Nebojša Vasić kennt diese Worte nur zu gut. Der Mann von der Abteilung zur Verhinderung von Schmuggel beim serbischen Zoll hat in den letzten Jahren viele Schmuggelgüter gesehen. Vor allem Vögel. Er sagt, sie seien die am häufigsten geschmuggelten Tiere. «Lebende Vögel werden auf unmenschliche Weise transportiert. Einmal, im Januar, haben wir acht Papageien in Kisten gefunden, die auf dem Unterboden eines Autos befestigt waren. Oder sie verpacken die Vögel in Kartoffelsäcke aus Jute und stecken diese in Jacken, Hosen, unter Autositze, zwischen das Gepäck im Kofferraum. Viele Vögel überleben das nicht», erzählt Vasić.

Aber nach der «Balkanvogel»-Affäre – Anfang der Nullerjahre wurde aufgedeckt, dass Zehntausende von geschmuggelten Vögeln aus Serbien in Italien auf Restauranttellern landeten – gab es keine grösseren Verhaftungen durch Polizei und Zoll mehr. «Wir erwischen sowohl Einheimische als auch Ausländer, nichts ist vorhersehbar. Oft sind es die Mittelsmänner, die Fahrer», sagt Vasić. Mehrere der Personen, mit denen wir sprachen, wiesen auf die Märkte für Kleintiere oder Vögel hin, von denen die grössten in Subotica, Pančevo und Požarevac stattfinden. Oft sieht man dort Käufer, deren Autos ausländische Nummernschilder haben – ein Hinweis darauf, dass die Vögel illegal ausser Landes gebracht werden.

Um diese Art von kriminellem Handel zu betreiben, muss man sich mit der Ware auskennen. Vor vier Jahren wurden alle sechs grossen schwarzen Kakadus aus einem Privatzoo in Kolut, nördlich von Sombor – eine Stadt direkt an der Grenze zu Ungarn und Kroatien – gestohlen. Der Besitzer schätzte den Wert der Tiere auf insgesamt 80 000 Euro. Man kann an den Fingern einer Hand abzählen, wie viele Zoos in Europa diese beeindruckenden Vögel haben.

Wie soll ein Polizeibeamter Vögel erkennen?

Vasić und seine Kollegen nehmen in der Regel Schmuggler fest, die nicht die erforderlichen Papiere bei sich haben. Manchmal stossen sie auf gefälschte Papiere. Aber Zollbeamte sind keine Ornithologen. Und selbst wenn sie es wären, könnte kein Ornithologe alle gefährdeten Vogelarten auf einen Blick erkennen. Manchmal, sagt Vasić, ist das Einzige, woran man erkennen kann, ob ein Vogel legal oder gefährdet ist, ein wenig Rot am Schwanz. In diesen Fällen zieht er Kollegen von EU-TWIX (in der Datenbank werden Daten zu Beschlagnahmen und Straftaten gespeichert) oder aus dem Belgrader Büro zu Rate, um die Einhaltung des CITES-Abkommens zu überprüfen. Dieses Übereinkommen regelt den internationalen Handel mit geschützten Tier- und Pflanzenarten.

In Belgrad sind nur zwei Mitarbeiter des Ministeriums für Umweltschutz mit CITES befasst. Sie stellen Genehmigungen für die Einfuhr von Tieren nach Serbien aus, sofern die Tiere nicht auf der Liste der gefährdeten Arten stehen. Das Ministerium hat auf unsere Anfrage nicht reagiert. Auch die Veterinärdirektion, die für die Entgegennahme der eingeführten Tiere, ihre Untersuchung und die Überwachung der Quarantänevorschriften zuständig ist, ignorierte die Bitte um ein Interview.

Mehrere Personen, die mit uns sprachen, äusserten den ernsthaften Verdacht, dass Vögel, die auf der Liste der gefährdeten Arten stehen, nach Serbien gebracht werden, weil am Belgrader Flughafen – wo sie sowohl mit Linien- als auch mit Frachtflügen, hauptsächlich von Turkish Airlines, ankommen – nur sehr wenig kontrolliert wird. Manche sagen, dass die Veterinärdirektion die Einreise der Tiere nonchalant genehmigt. «Die Veterinärdirektion ist wahrscheinlich die korrupteste Dienststelle in Serbien. Ob sie nun den Gesundheitszustand der eingeführten Tiere überprüfen oder sich mit streunenden Hunden befassen, sie sind durch und durch korrupt», sagt ein gut informierter Ornithologe. Zwei andere Biologen sagen, dass der Zoll oder die Polizei sie manchmal anrufen, wenn ein Vogeltransport am Flughafen ankommt oder wenn Tiere beschlagnahmt werden. Dies geschieht jedoch nicht immer. Manchmal schicken sie nur Fotos der Vögel, und dann haben sie nur ein paar Minuten Zeit, um die Art zu bestimmen.

Milan Ružić traf uns im Büro der Vogelschutz und Vogelkunde in Novi Sad. Ironischerweise befindet sich im Erdgeschoss desselben Gebäudes eine Tierhandlung für Kleintiere, in der Tigerpapageien für ein paar hundert Dollar verkauft werden. Ružić interessiert sich jedoch für grössere Vögel, vor allem für Heimvögel, die oft illegal gefangen und gejagt werden. Der Ornithologe sagt, er könne alle europäischen Vögel voneinander unterscheiden, aber die Tausenden von Arten exotischer Vögel, von denen nur 58 durch das CITES-Abkommen geschützt sind, könne er nicht erkennen.

«Jeder Vogel in einer Sendung, die aus Afrika kommt, muss die richtigen Papiere haben. Aber werden die Leute, die um zwei Uhr morgens am Belgrader Flughafen eine Lieferung kontrollieren, die Arten erkennen können?», fragt er. Zwei Vögel können sich sehr ähnlich sein, doch während der eine vom Aussterben bedroht ist, kann der andere legal sein. «Die Händler werden immer behaupten, dass die Vögel in Gefangenschaft gezüchtet worden sind. Aber das stimmt nicht. Sie werden aus Nestern gestohlen. Besonders der afrikanische Graupapagei. Jemand in Afrika hat ihn vielleicht für fünf Dollar gefangen, in Serbien ist er fünfhundert wert, und in Westeuropa wird er für das Dreifache gehandelt», sagt Ružić.

Von Serbien aus gebe es praktisch keine Möglichkeit, Vögel legal in die EU zu exportieren, ausser durch Schmuggel, sagt er. «Ich denke, es handelt sich um ein grosses organisiertes Verbrechen, an dem Leute in hohen Positionen beteiligt sind. Meine Quellen berichten mir immer von Leuten in den obersten Rängen der Polizei und der Armee.»

Vögel verschwinden auf mysteriöse Weise

Im Belgrader Zoo krächzen Papageien und grosse Tukane. Einige von ihnen wurden von Schmugglern beschlagnahmt und «arbeiten» nun als Teil der Zooausstellung für ihr Futter, wie uns der Zoologe Kristian Ovari erzählt. Andere beschlagnahmte Tiere sind nicht ausgestellt, aber der Zoo kümmert sich um sie, bis eine Lösung gefunden ist. In Serbien gibt es kein Asyl für exotische Tiere, daher werden sie von der Polizei und der Inspektion in Zoos gebracht, meist nach Belgrad und Palić.

«Manchmal stirbt bei Transporten die Hälfte der geschmuggelten Tiere. Die Schmuggler packen sie dicht an dicht, ohne Wasser, was für sie sehr stressig ist», sagt Ovari. Wenn sie lebend ankommen, sind sie oft eine Herausforderung für den Zoo. «Wir können keine Arten, die nicht von hier sind, einfach in die freie Wildbahn entlassen.» Der Zoo im Belgrader Stadtpark Kalemegdan ist überfüllt, es gibt nicht einmal genug Platz für die Tiere, die Teil der Ausstellung sind. Kürzlich wurde angekündigt, dass der Zoo in zwei oder drei Jahren von seinem kultigen Standort in der Festung von Belgrad auf die Flussinsel Ada Ciganlija verlegt werden soll. Vielleicht qualifiziert er sich dann endlich für den Beitritt zum Europäischen Zooverband.

Ovari, der seit Jahren auch für den Zoo in Palić arbeitet, weiss um die Schmuggelroute. «Die Grenzkontrollen sind nicht so streng. Du kannst alles im Kofferraum deines Autos haben und deine Chancen stehen nicht schlechter als fünfzig Prozent, dass du dein Gepäck unbesehen nach Ungarn bringen kannst. Zehntausende von Tieren, darunter auch der afrikanische Graupapagei, kommen nach Serbien. Und dann verschwinden sie», fährt Ovari fort. «Ich gehe davon aus, dass sie Serbien verlassen. Sie sind wertvolles genetisches Material für den EU-Markt.»

Das Telefon von Halid Redža klingelt. Der Händler aus Zemun muss kurz los, um jemandem 2,5 Kilogramm Vogelfutter zu bringen. Dann zeigt er uns in seinem Hinterhof seinen Liebling, seinen Star: Koki. Der grosse weisse Kakadu hat schon in Werbungen und Filmen mitgespielt. Mit Bedauern erinnert sich Redža an Safaris durch Tansania, auf denen er die Vögel in freier Wildbahn beobachten konnte. Früher, als dies noch möglich war, bezog er von dort seine Graukakadus. Doch 2016 verbot die tansanische Regierung wegen des Verlusts an Wildtieren deren Ausfuhr, die enorme Gewinne gebracht hatten. Im vergangenen Juni wurde eine sechsmonatige Aufhebung des Verbots angekündigt, um den Händlern die Möglichkeit zu geben, ihre Lagerhäuser zu leeren. Es folgte ein regelrechter Shitstorm, vor allem auf X, und am nächsten Tag zog die Regierung ihre Entscheidung zurück.

Rotwangen Cordon-bleus und Schwarzhelm-Hornvögel

Redža und andere Importeure aus Serbien haben immer noch Lieferanten in Afrika. Die Vögel werden aus Katalogen bestellt, das CITES-Büro stellt die Genehmigungen aus. Redža muss die Vögel dann drei Wochen lang in Quarantäne halten. Er sagt, dass die staatlichen Veterinäre ihn regelmässig besuchen. «Früher kamen viele Vögel aus Tansania, aber seit sie die Exporte eingestellt haben, sind Guinea und Mali die Herkunftsländer», sagt er. Obwohl das Belgrader CITES-Büro keine Angaben darüber macht, wer wie viele Vögel importiert, haben wir Zugang zu einer detaillierten Liste der Einfuhren aus Guinea bekommen. In den letzten drei Jahren sind 35 618 Vögel von dort nach Serbien gekommen – ein Sechstel der guineischen Exporte. Fast alle Vögel wurden an zwei Adressen geschickt: an einen Händler in Batajnica, ein Vorort von Belgrad, und einen Händler in Subotica, der zwei verschiedene Unternehmen unter derselben Adresse angemeldet hat.

Unter anderem Tausende von Rotwangen Cordon-bleus und Jameson-Gimpeln, Miniaturvögel mit einem Gewicht von jeweils etwa zehn Gramm, aber auch senegalesische Steinbrachvögel und Schwarzhelm-Hornvögel wurden aus ihrem natürlichen Lebensraum entnommen.

Sie landen auf Flügen von Turkish Airlines. Die Fluggesellschaft weigert sich, auf unsere Fragen zu antworten. Als wir uns als potenzielle Importeure von Vögeln vorstellten und um Informationen über die Preise baten, erklärte die Fluggesellschaft, dass der Transport von Holzkisten bis zu 30 Kilogramm zwischen der guineischen Hauptstadt Conakry und Belgrad 550 Dollar kostet. Und dies unabhängig von der Anzahl der Vögel. Jedes weitere Kilo koste weitere 15 Dollar.

Die US-Organisation World Animal Protection veröffentlichte 2019 die Ergebnisse einer Untersuchung, wonach Turkish Arlines gefährdete afrikanische Graupapageien aus der Volksrepublik Kongo, Mali und Nigeria nach Asien transportierte. Die Organisation erklärte die türkische Fluggesellschaft zur «bevorzugten Fluggesellschaft von Wilderern».

Die Verfünfzigfachung der Preise

Belgrad ist fünftausend Kilometer von Conakry entfernt, einer Hafenstadt am Atlantischen Ozean. Hier gab es im September 2021 einen Militärputsch, seither wird das Land von Oberstleutnant Mamady Doumbouya regiert, einem ehemaligen Mitglied der französischen Fremdenlegion. Guinea ist eines der ärmsten Länder der Welt, und die Vögel aus den tropischen Urwäldern und Savannen sind eine Verheissung auf Geld. Ein Händler traf uns in einer libanesischen Bäckerei im belebten Geschäftsviertel von Conakry. Dort versammeln sich Leute mit tiefen Taschen, und es werden Geburtstagstorten, Espresso und Croissants angeboten.

Conakry ist keine billige Stadt, obwohl sie mit Armen überfüllt ist – vor der Bäckerei gibt es Bettler, Hausierer, die Zigaretten verkaufen, während sich vollgestopfte Kleinbusse, die als Taxis und Transporter dienen, durch die Strassen schlängeln. Auf ihren Dächern schaukeln Waren für den Hafen, von Ananas über Kaffee bis zum Aluminiumerz Bauxit. Ein Händler, der seinen Namen nicht nennen möchte, exportiert Finken nach Serbien. Er fängt die Vögel in freier Wildbahn. «Wir haben viele», sagt er über Mosambikgirlitze, die für 1,50 Dollar pro Vogel verkauft werden. In den niederländischen Zoohandlungen wird dieser kleine gelbe Fink für 75 Euro verkauft – die Reise ist lang und wegen des Profits sind viele Hände im Spiel.

Den Vorwurf, dass sein Geschäft der Umwelt schadet, weist er zurück. «Die Population der Vögel schwindet durch die Abholzung der Wälder. Sie fällen Bäume, um zu bauen. Wo ich wohne, gab es früher einen Wald, in dem wir Vögel fingen, aber heute ist es eine Stadt», sagt er. «Einige Bauern sprühen Pestizide auf ihre Felder, auf den Reis. Sie behaupten, wir Händler würden die Vögel vernichten, aber das stimmt nicht. Sie vergiften den Reis, und die Vögel sterben daran. Wir fangen sie lebend und halten uns an die festgelegten Quoten. Und wir exportieren sie an Experten. Wir sind keine Mörder», sagte der Mann.

Manche bezweifeln jedoch, dass die Sendungen nach Europa nur Vögel enthalten, die legal verschickt werden dürfen. Bella Diallo, ein pensionierter guineischer CITES-Beauftragter in Conakry meint, dass Singvögel besser geschützt werden sollten, als sie es sind. «Wir hatten schon immer Probleme am Flughafen», erzählt er uns. «Wir können die Herkunftsnachweise sehen, aber die Leute am Flughafen und am Zoll sind keine Spezialisten. Die Händler können jeden Vogel, den sie wollen, in die Kisten packen und verschicken.»

Sie haben Kalaschnikows, aber keinen Treibstoff

Derjenige, der dem ein Ende setzen sollte, ist Pierre Kamano, der Kommandeur der Nationalen Brigade Guineas. Er soll die illegale Ausfuhr von Tier- und Pflanzenarten bekämpfen. Und zwar mit  einer Gruppe von Elitesoldaten mit Kalaschnikows. In Kamanos Büro im Umweltministerium hängt ein grosses Foto von ihm und Präsident Dounbouya an der Wand. Beide sind in Uniform, der Präsident trägt eine Sonnenbrille. «Es ist sehr schwierig, unsere Natur zu schützen», sagt Kamano. «Wir tun, was wir können, um die Umweltkriminalität zu bekämpfen, aber diese Kriminellen sind sehr gerissen, sie sind organisiert und haben viel Geld.»

Kamanos Einheit tut, was sie kann, mit den wenigen Mitteln, die ihr zur Verfügung stehen. Er sagt, dass die Tierarten in Guinea noch gerettet werden könnten, aber es würde helfen, wenn seine Einheit mobiler wäre. Für die Patrouillen in dem riesigen Land stehen nur sechs Fahrzeuge zur Verfügung – und die wurden von der EU gespendet. Ihr Treibstoff wird manchmal von einer französischen gemeinnützigen Organisation bezahlt.

Die Fläche Guineas ist dreimal so gross wie die Serbiens, aber nur jede dritte Strasse ist asphaltiert. Um den Nationalpark am Oberlauf des Niger zu erreichen, muss man zwei Tage durch unwegsames Gelände fahren. Wenn die Regenzeit einsetzt, dauert die Fahrt noch länger. Der Park beherbergt neben seltenen Vögeln auch Schimpansen, Flusspferde und Elefanten. Händler, die in Verbrechen verwickelt sind, können deshalb ruhig schlafen. Als wir den Händler, mit dem wir in der Bäckerei sprachen, fragten, warum sich die afrikanischen Vögel so gut verkaufen, sagte er: «Ich weiss es nicht. Ihr seid diejenigen, die sie kaufen. Fragt eure Familien in Europa.»

Das Spiel geht weiter

Die Nachfrage in Europa ist ungebrochen. Doch der niederländische Inspektor Harald Garretsen setzt sich bei seinem Kampf gegen Windmühlen hin und wieder auch mal durch. Seine Patrouille auf dem Vogelmarkt in ‘s-Hertogenbosch im vergangenen September war die letzte an diesem Ort. «Wir sind leider zu dem Schluss gekommen, dass es finanziell nicht mehr möglich ist, eine weitere Vogelmesse wie den AviMarkt zu organisieren», teilten die Organisatoren Ende Januar mit. «Wir erwarten aufgrund der europäischen Tiergesundheitsverordnung deutlich weniger Besucher und Aussteller. Der AviMarkt ist als Messe gerade wegen seiner Internationalität interessant. Deshalb haben wir uns entschlossen, in der Hochphase aufzuhören», heisst es in der Mitteilung. «Es ist sowohl für Aussteller und Besucher als auch für uns nicht wünschenswert, wenn Vögel beschlagnahmt oder Bussgelder verhängt werden, weil wir bestimmte Anforderungen nicht erfüllen können.»

Die neuen EU-Vorschriften wurden 2021 verabschiedet, aber die Niederlande gewährte allen Beteiligten eine Gnadenfrist, die bis Ende letzten Jahres dauerte. Seitdem wird besonderes Augenmerk auf Krankheiten gelegt, die auf den Menschen übertragen werden können, wie etwa die Vogelgrippe. Das bedeutet, dass die Vögel ein tierärztliches Zeugnis haben müssen, was die Arbeit der Schmuggler erschwert.

Aber es besteht kein Zweifel daran, dass das Spiel weitergeht, solange Millionen von Menschen es geniessen, bunte Vögel in ihren Zimmern und Gärten zwitschern zu hören. Die Nachfrage führt zu einem Angebot, die Schmuggelrouten sind gut befahren. Beamte werden bestochen, um wegzuschauen. Und es sind nur die kleinen Fische, die erwischt werden. «Diejenigen, die am häufigsten verhaftet werden, sind diejenigen, die am Transport und am Einfangen der Tiere in freier Wildbahn beteiligt sind», sagt Chris Shepherd von der Monitor Conservation Research Society. «Die Drahtzieher werden nie belangt. Und auch der Endkäufer nicht, weil am Zielort alles so gehandhabt wird, dass es so aussieht, als seien die Vögel legal eingeführt worden. Es ist schwer zu beweisen, dass sie es nicht sind.»

Übersetzung: Ellen Elias-Bursać
Redaktion: Christoph Dorner

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