Traurige Statussymbole – Süddeutsche Zeitung

Der illegale Handel mit exotischen Vögeln boomt. Viele Tiere werden von Guinea über Serbien in die EU geschmuggelt. Warum lässt sich das nicht verhindern?

Von Nathalie Bertrams, Ingrid Gercama, Nemanja Rujević und Tristen Taylor

30. März 2023 – 12 Min. Lesezeit

An einem verregneten Septembersamstag zwitschert es in den zwei Messehallen wie im Dschungel. Käfige mit Feuerfinken, Regenbogenloris und Graupapageien stapeln sich auf Tapeziertischen unter Neonlicht. Der AviMarkt im niederländischen ‘s-Hertogenbosch wirbt damit, die größte Vogelmesse Europas zu sein. Kaum geöffnet, drängen sich tausende Vogelfreunde in den Gängen, viele mit hölzernen Transportkisten unter dem Arm, manche mit den glitzernden Augen des Schnäppchenjägers.

Harald Garretsen, 60, Glatze, blaue Uniform, freundlicher Blick über der Lesebrille, ist mit einem Dutzend Kollegen hier schon frühmorgens auf Streife. „Wenn du besondere Vögel kaufen willst – be my guest“, sagt er. „Aber sei sicher, dass sie nicht aus illegalem Handel stammen.“

Der Naturinspektor der niederländischen Behörde für Lebensmittel- und Konsumgütersicherheit NVWA, der den Job schon seit 40 Jahren macht, sucht nach gefälschten Papieren, manipulierten Vogelringen, illegalen Vögeln. Und wird immer wieder fündig.

Denn die Messe ist auch ein Umschlagplatz für geschmuggelte Tiere.

Allein in Deutschland werden mehr als drei Millionen Ziervögel als Haustiere gehalten, insgesamt sind es knapp fünfzig Millionen in der EU. Früher wurden die Vögel einfach in Afrika, Asien oder Lateinamerika gefangen und millionenfach nach Europa importiert. Das ist seit 2005 verboten – auch, um die Ausbreitung der Vogelgrippe zu verhindern. Die hochansteckende Krankheit, die nach Ansicht von Virologen eine neue Pandemie auslösen könnte, wütet seit zwei Jahren besonders heftig. Darum dürfen Ziervögel nur noch aus Zucht kommen, und nur noch aus wenigen Staaten außerhalb der EU.

Theoretisch. Denn trotz des EU-Verbots wollen Liebhaber immer noch Vögel aus der Wildnis besitzen. Nicht alle sind mit einem einfachen Wellensittich zufrieden, manch einem geht es um Status und Exklusivität – wie beim Auto. „Das bedeutet zweierlei: Der Handel geht in den Untergrund, und die Preise schießen in die Höhe“, sagt Garretsen. Die Nachfrage steigt, inzwischen gehören Vögel zu den am häufigsten geschmuggelten Tieren. „Wo die Tiere herkommen, ist den Leuten egal.“

Die Vögel werden aus tropischen Wäldern und Savannen in EU-nahe Länder wie beispielsweise Serbien, die Türkei oder – vor dem Krieg – die Ukraine geflogen, erklärt Garretsen. Dann geht es über die Grenze. Sollten sie die Reise überleben, landen sie vielleicht hier – im Käfig auf der Vogelbörse.

Um eine der Schmuggelrouten zu rekonstruieren, reiste die SZ nach Serbien, Guinea und die Niederlande und sprach mit Vogelhändlern, Zöllnern, Biologen, Polizisten und zahlreichen Experten.

Grafik: SZ/Mapcreator.io

Vielfach ist Schweigen zu hören, sind leere Gesichter zu sehen – es interessieren sich nur wenige Menschen für den Schmuggel von Vögeln. Und diejenigen, die gut daran verdienen, möchten gerne, dass das so bleibt.

Eine Hochburg des Vogelschmuggels

Der erste Stopp auf der Vogelroute ist eine bekannte Adresse in einem ruhigen Vorort der serbischen Hauptstadt Belgrad. Der 67-jährige Halid Redža, von allen Akan genannt, verkauft Vögel, seit er zehn ist. Früher fing er noch selber, heute züchtet er Graupapageien und hat tropische Finken und Kakadus im Angebot. Redža ist der einzige Händler in Serbien, der sich darauf einlässt, mit der SZ zu sprechen.

Drinnen im Haus riecht es stark nach Vogelfutter. In Redžas Küche kreischen fünf Paare afrikanischer Graupapageien, die in der Natur vom Aussterben bedroht sind. Man sagt, es sei schwierig, sie in Gefangenschaft zu paaren, aber darüber kann Redža nur lächeln: Vergangenes Jahr sind bei ihm elf Junge geschlüpft. „Sie sind emotional, wie Menschen. Sie müssen sich mögen, und dann trennen sie sich für den Rest ihres Lebens nicht mehr. Man muss eben richtig einschätzen, wer wen gern hat“, sagt der Händler verschmitzt.

Redžas Büro ist vollgestopft mit Medikamenten und Vitaminen, in der Mitte des Raums ein Eimer voller Würmer.

Im Nebenzimmer tschilpen Dutzende Singvögel in ihren Käfigen. Die kleinen Vögel, die Redža aus Afrika bestellt, sind bei ihrer Ankunft meist erschöpft und hungrig. Er sucht sie aus einer Art Katalog aus, den ihm die Händler schicken. Sie haben einen weiten Weg hinter sich, sagt er: „Früher kamen sie oft aus Tansania, heute eher aus Mali und Guinea.“

Nach Serbien geht das ganz legal. Nur in die EU dürfen weder Redžas Zuchtpapageien noch seine afrikanischen Singvögel.

Während ein Graupapagei in Serbien zwischen achthundert und tausend Euro kostet, sind Kunden in den Niederlanden oder Deutschland bereit, das Doppelte zu zahlen. Auch Singvögel, die im Einkauf ein paar Euro kosten, werden für das Vielfache gehandelt. Dieser Preisunterschied macht Vögel zu einer höchst rentablen Schmuggelware. Die Vereinten Nationen und Interpol schätzen, dass auf dem Schwarzmarkt mit Wildtier- und Pflanzenarten jährlich zwischen sieben und 23 Milliarden Dollar verdient werden.

Die Tiere würden auf denselben Routen wie Waffen, Drogen und Menschen in die EU gebracht, sagt José Alfaro Moreno, Spezialist für Umweltkriminalität bei Europol. Es gehe um Sendungen von Tausenden Vögeln. „Wir sprechen von organisierter Kriminalität“, sagt Moreno. Einzelne Länder will der hochrangige Europol-Beamte nicht nennen, nur soviel: „Der Balkan ist eine Hochburg des Vogelschmuggels.“

Nebojša Vasić gehört einer Anti-Schmuggel-Einheit des serbischen Zolls an. Er greift neben Waffen und Menschen zunehmend Tiere auf. „Die Vögel werden oft unmenschlich transportiert“, sagt er. Einmal fand er mitten im Januar acht Papageien, die in Kisten unter einem Auto befestigt waren. Einige waren schon erfroren. Schmuggler würden die Tiere in Jutesäcke schnüren, unter Autositze klemmen, zwischen Gepäck quetschen. „Viele Vögel überleben das nicht“, sagt Vasić. Europol schätzt, dass die Hälfte der Tiere beim Transport stirbt.

Auch Vogelhändler Redža weiß, dass Vögel aus Serbien die Grenze überqueren. „Es gibt immer Schmuggel“, sagt er. „Alles, was auf dem Markt von Subotica gekauft wird, überquert später die Grenze.“ Die kleine Stadt Subotica liegt nur zehn Kilometer von der ungarischen Grenze entfernt.

Ungeschützte Singvögel

5000 Kilometer Luftlinie weiter südwestlich, in Conakry, der Hauptstadt der westafrikanischen Republik Guinea. Vogelhändler Shuaib Sidibé sitzt im ersten Stock eines Cafés und nippt an einer Fanta. Draußen roter Staub und das Hupen von Minibussen, Motorradtaxis und Tuk Tuks, die im Stau stecken. Sidibé trägt ein schwarzes T-Shirt über dem Bauch und einen dunklen Fleck vom Beten auf der Stirn. Wie Redža verkauft auch er seit seiner Kindheit Vögel.

Guinea ist ein an Bodenschätzen reiches Land, in dem fast 90 Prozent der Bevölkerung in Armut leben. Seit dem Militärputsch im September 2021 wird es von Oberstleutnant Mamadou Doumbouya, einem ehemaligen Fremdenlegionär, regiert. Im Human Development Index der Vereinten Nationen – auch als Wohlstandsindikator bezeichnet – lag das Land 2021 zwei Plätze hinter Afghanistan.

Früher lief das Geschäft gar nicht schlecht, sagt Sidibé. Seit dem EU-Verbot hingegen kann er nur noch an Serbien und ein paar asiatische Länder verkaufen. Er verdient nicht viel damit, trägt er doch auch die Kosten und das Risiko für Fang und Transport. Den beliebten Mosambikgirlitz zum Beispiel – ein kleiner gelber Piepmatz, der in hohen Tönen singt – exportiert er für 1,50 Euro das Stück. In den Niederlanden geht so ein Vögelchen für 75 Euro über die Ladentheke.

Es sind Singvögel wie diese, die den Großteil der Exporte ausmachen. Klein, bunt, günstig und bei den Kunden heiß begehrt. Sie brauchen nur ein simples Herkunftszertifikat für die Reise nach Serbien. Das ist beispielsweise bei Eulen oder Papageien anders: Die brauchen eine spezielle Cites-Ausfuhrgenehmigung.

Das Washingtoner Artenschutzabkommen Cites, das seit 1975 den internationalen Handel mit gefährdeten Arten kontrolliert, umfasst rund 32 800 Pflanzen- sowie 5 950 Tierarten. Sie werden verschiedenen Kategorien zugeordnet: Anhang I verbietet jeglichen Kommerz mit unmittelbar vom Aussterben bedrohten Arten – wie etwa Königstigern, Berggorillas und Nashörnern. Anhang II hat strenge Handelsauflagen für gefährdete Arten wie Haie und Rochen, Giraffen und Faultiere.

Seitdem der Cites-Chef von Conakry 2015 wegen des Ausstellens falscher Papiere für Gorillababys und Bonobos festgenommen wurde, darf Guinea keine unter Cites geschützten Arten mehr exportieren. Die westafrikanische Republik gilt seit Jahrzehnten als Drehscheibe im internationalen Wildtierhandel. Singvögel zu exportieren ist aber legal, denn die meisten werden nicht als gefährdet klassifiziert.

Nur 1,4 Prozent der fast 6600 Singvogelarten, die international gehandelt werden, sind derzeit durch das Cites-Abkommen geschützt. Seit Jahren setzen sich Organisationen wie die Silent Forest Group des Europäischen Zoo- und Aquarienverbands dafür ein, mehr Singvögel auf die Cites-Listen zu setzen. Bei der letztjährigen Cites-Konferenz in Panama gelang es der Gruppe, zwei asiatische Arten zu schützen. Aber in vielen Ländern Afrikas fehlt das Geld für aufwendige Zählungen oder wissenschaftliche Studien.

In Guinea gibt es außerdem Zweifel, dass die Export-Sendungen nur Vögel enthalten, deren Versand legal ist. Bella Diallo, ein kürzlich pensionierter Beamter der Cites-Behörde in Conakry, sagt: „Wir hatten immer ein Problem am Flughafen.“ Die Zöllner kontrollierten zwar Ausfuhrlisten und Herkunftszertifikate. Aber sie seien nun mal keine Experten. „Die Händler können also im Grunde jeden beliebigen Vogel in die Kiste stecken und versenden,“ so Diallo.

Wie viele Vögel er persönlich verkauft, will Händler Sidibé nicht verraten. Auch der Vogelverband von Guinea nennt keine Zahlen, nur soviel: Das EU-Gesetz habe einen Großteil des Geschäftes ruiniert. Aus den Ausfuhrlisten der Cites-Behörde in Conakry, die die SZ einsehen konnte, geht indes hervor, dass eine Handvoll Händler in den vergangenen drei Jahren knapp eine Viertelmillion Vögel aus Guinea in alle Welt exportiert hat. 35 000 Exemplare gingen nach Serbien, etwa die Hälfte davon in den Grenzort Subotica.

Frisches Papageienblut für Europa

Zurück in Serbien. Der Belgrader Zoo liegt in der jahrhundertealten Festung Kalemegdan am Zusammenfluss von Save und Donau, mitten im Zentrum der serbischen Hauptstadt. In den vergangenen Jahren haben serbische Zoos Hunderte konfiszierte Tiere aufgenommen: Bären, Schlangen, Affen, vor allem aber Vögel.

Die Tiere hätten nur eine 50:50-Überlebenschance, sagt Kristijan Ovari, Chefbiologe des Zoos: „Die Schmuggler packen die Tiere dicht an dicht, ohne Wasser, was sehr stressig ist.“

„Zehntausende von Tieren kommen nach Serbien, darunter afrikanische Graupapageien, und verschwinden dann spurlos“, sagt er und zeigt auf eine Voliere mit beschlagnahmten Papageien. Der Biologe hält es für einfach, Vögel aus Serbien heraus zu schmuggeln. „Die Grenzkontrollen sind nicht so streng“, sagt er. Selbst mit vollgepacktem Auto bestehe eine fünfzigprozentige Chance, es nach Ungarn zu schaffen. „Wenn die einen schlechten Tag haben, bekommen Sie eine Geldstrafe, ansonsten lässt man Sie gehen.“

Sobald ein Singvogel die Grenze überquert hat, ist er praktisch legal in der EU. Simon Bruslund, ein Ornithologe der Silent Forest Group, sagt: „Die Vögel werden offen verkauft, sobald sie ankommen. Sie müssen nur über diese EU-Grenze hinwegkommen. Das ist der kritischste Punkt. Und Serbien taucht in diesem ganzen Handel auf.“

José Alfaro Moreno von Europol weist darauf hin, dass Züchter immer wieder wild gefangene Vögel benötigen. „Man braucht frisches Blut“, sagt er. „Sonst züchtet man lauter Brüder und Schwestern.“ Der Trick, gefährdete Arten zu legalisieren, ist simpel. „Man nimmt die Papiere eines toten Brutvogels und verwendet sie für ein geschmuggeltes Exemplar. Damit züchtet man weiter. Der illegale Vogel ist weißgewaschen, die Jungvögel legal.“ Moreno schätzt, dass ein Brutpapageienpaar bis zu 100 000 Euro erzielen kann.

Die Behörden in Belgrad reagierten auf mehrfache Anfragen der SZ nach genaueren Daten nicht. Wie viele Vögel beschlagnahmt werden und wie groß der Schmuggel aus Serbien ist, bleibt darum Spekulation.

Anders als bei der Bekämpfung von Drogenhandel, Terrorismus oder organisierter Kriminalität stecke die internationale Zusammenarbeit bei der Umweltkriminalität noch in den Kinderschuhen, sagt José Alfaro Moreno von Europol. Die Polizeibehörden konzentrierten sich auf die Arbeit auf Landesebene – für internationale Missionen gebe es kaum Mittel.

Eine Mitarbeiterin der serbischen Staatsanwaltschaft, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, sagt, dass ihre Regierung nicht genug tue, um den Schmuggel zu unterbinden: „Ich schätze, dass nur einer von tausend Fällen von Tierschmuggel hier vor Gericht kommt. Das liegt daran, dass die Polizei nicht genügend Beweise hat oder dass uns die Mittel und das Wissen fehlen, um gegen diese Art von Verbrechen vorzugehen.“

Das Hauptproblem: „Serbien ist ein Transitland für alle Arten von Schmuggel. Aber fast niemand kümmert sich um Wildtierkriminalität.“

Wir sind keine Mörder

In Guinea wird aber genau das versucht. 

Foto: Nathalie Bertrams

Im Stadtzentrum von Conakry liegt der Botanische Garten, ein uralter, verwahrloster Wald mit riesigen Bäumen.

Hier hat Pierre Kamano sein Büro. Er ist Kommandeur der Nationalen Brigade gegen Wilderei und illegalen Handel mit Tieren und Pflanzen. In Kamanos Büro hängt ein großes Foto, das ihn stolz neben Militärherrscher Doumbouya zeigt. In Uniform, Sonnenbrille und roter Baskenmütze überragt der ihn turmhoch.

„Es ist extrem schwierig, unsere Natur zu schützen“, sagt Kamano. „Wir tun unser Bestes, um die Umweltkriminalität einzudämmen. Aber die Kriminellen sind schlau, bestens organisiert und haben viel Geld.“ Mit begrenzten Mitteln leistet seine militarisierte Einheit wichtige Arbeit. So konnte sie in den vergangenen Jahren zum Beispiel den Export Tausender geschützter Bäume ins Nachbarland Sierra Leone stoppen und 40 Tonnen geschmuggelter Rochen beschlagnahmen, beide für den Export nach China bestimmt.

Seit dem Putsch trägt die Brigade zwar brandneue Uniformen. Aber sie ist pleite. „Unser Problem ist, dass wir Hilfe brauchen, um für Inspektionen mobil zu sein“, sagt Kamano. Denn die Nationalbrigade hat nur sechs Fahrzeuge – von der EU gesponsert – um in einem Land so groß wie Großbritannien zu patrouillieren. Für Treibstoff aber ist sie von der französischen Tierschutzorganisation WARA Conservation abhängig. „Um die Kriminalität zu stoppen, brauchen wir internationale Unterstützung“, sagt er.

Es gibt allerdings eine weitere Bedrohung für die Vögel in Guinea, gegen die auch die Brigade mit ihren AK47 machtlos ist.

„Es gibt genug Vögel“, sagt Händler Shuaib Sidibé im Café. Vorwürfe, sein Geschäft schade der Natur, weist er zurück: „Was die Populationen schrumpfen lässt, ist Entwaldung. Die Leute fällen Bäume und bauen“, sagt er. „Wo ich wohne, gab es früher einen Wald, in dem wir Vögel fingen. Aber heute ist es eine Stadt.“

Tatsächlich sind die Wälder Guineas ernsthaft bedroht. Sie befinden sich laut UN in „sehr fragmentiertem Zustand“ und nur sieben Prozent des Territoriums stehen unter Naturschutz. Dabei sichern Wälder die wichtigsten Wasserquellen der Region – die Flüsse Niger, Senegal und Gambia – und sind Lebensraum für gefährdete Tierarten wie Elefanten, Schimpansen oder Bonobos. 

Doch Bauxitabbau, Wilderei, Landwirtschaft und massive Abholzung setzen Flora und Fauna zu: 96 Prozent des ursprünglichen Waldes sind bereits verschwunden.

Foto: Nathalie Bertrams

Foto: Nathalie Bertrams

Das Land verliert seine Waldbedeckung in dramatischem Tempo.

Ein Großteil wird zu Holzkohle, die für die meisten Menschen in Guinea die einzige Energiequelle ist – und oft auf Bussen transportiert wird. 

Die Vogelhändler und lizensierten Jäger hielten sich an die Gesetze, sagt Sidibé. Schonzeiten würden eingehalten, und es werde nur gejagt, wenn der Nachwuchs flügge sei. „Wir sind keine Mörder“, sagt der Händler. „Wir exportieren die Tiere lebend.“ Ein großes Problem sei hingegen die Landwirtschaft: „Die Bauern verwenden Pestizide für ihren Reis. Die Vögel sterben, wenn sie ihn fressen. Man sagt, wir vernichten Vögel, dabei sind sie es, die den Reis vergiften.“

Die Zahl der Vögel, Säugetiere, Amphibien und Reptilien geht so massiv zurück, dass der Weltbiodiversitätsrat vom sechsten großen Massenaussterben spricht. Der WWF hat ausgerechnet, dass die Populationen aller Wildtierarten seit 1970 um 69 Prozent zurückgegangen sind. Vögel stehen durch Umweltgifte, Klimawandel, Insektensterben und die Intensivierung der Landwirtschaft besonders unter Druck.

Inzwischen ist weltweit eine von acht Vogelarten vom Aussterben bedroht, sagt die Organisation BirdLife International.

Und Singvögel, die etwa 60 Prozent aller Vogelarten ausmachen, sind nicht nur schön anzusehen: Sie fressen Schädlinge, bestäuben Früchte, verbreiten Samen und sind damit wesentlich für funktionierende Ökosysteme verantwortlich – egal ob Wald oder Savanne. Ein weitreichender Handel mit ihnen könnte verheerende Folgen haben. Das bestätigt Chris Shepherd, Geschäftsführer der Monitor Conservation Research Society: „Eine Art aus der Umwelt zu entfernen, hat Konsequenzen. Niemand weiß, wie die langfristigen Auswirkungen aussehen werden.“

Der AviMarkt schließt seine Pforten

Naturinspektor Garretsens Patrouille auf der Vogelmesse in ‘s-Hertogenbosch im vergangenen September war seine letzte vor Ort. Aufgrund neuer europäischer Tiergesundheitsvorschriften – die der Bekämpfung von Seuchen, die auf Tiere oder Menschen übertragbar sind, dienen – sei es finanziell nicht mehr tragbar, eine Vogelmesse wie den AviMarkt zu veranstalten, teilten die Organisatoren Ende Januar auf ihrer Website mit. „Es ist weder für Aussteller und Besucher noch für uns wünschenswert, dass Vögel beschlagnahmt werden oder Bußgelder gezahlt werden müssen, weil wir bestimmte Bedingungen nicht erfüllen können.“

Weiter heißt es: „Hoffentlich finden wir alle zusammen neue Alternativen, um das Vogelhobby in diesen sich wandelnden Zeiten weiterzubetreiben.“ Harald Garretsen von der NVWA wird also auch in Zukunft viel zu tun haben. Er sagt: „Es ist genau wie bei Betäubungsmitteln – wenn die Nachfrage nicht da wäre, wäre natürlich auch das Angebot nicht interessant. Vogelfreunde müssen sich vielleicht mal ernsthaft fragen: Wollen wir das noch? Will ich das auf meinem Gewissen haben?“

Die Recherche für diesen Artikel wurde von “Journalismfund Europe” unterstützt.

GDPR Cookie Consent with Real Cookie Banner