Baltischer Torf für deutsches Gemüse – Süddeutsche Zeitung

In Deutschland soll bald kein Torf mehr abgebaut werden. Doch schon jetzt importieren wir den wertvollen Stoff aus dem Baltikum. Und zerstören dort die Moore. 

Abgegraben

Von Nathalie Bertrams, Ingrid Gercama, Tristen Taylor

Bei vielen Menschen in Deutschland ist es schon angekommen: Wenn man seinen Balkon bepflanzt, lohnt es sich, auf den Aufkleber „torffrei“ auf der Blumenerde im Baumarkt zu achten. Denn Torf kommt aus Mooren und Moore gehören geschützt. Aber die Gurken und Tomaten, die wir essen, sind trotzdem zumeist auf Torf gewachsen. Wo kommt er her, dieser Torf? Und ist ein torffreies Leben in Deutschland überhaupt möglich?

Elbu-Hochmoor in Estland

Mit quietschenden Gummistiefeln stapft Liis Keerberg durch den noch unberührten zentralen Teil des Elbu-Hochmoores im südlichen Estland.

Hier glitzert fleischfressender Sonnentau rötlich zwischen Torfmoosen und offenen Wasserflächen. Im Frühjahr verwandelt Wollgras die Landschaft in ein weißes Blütenmeer, in dem Sumpfvögel wie Goldregenpfeifer, Alpenstrandläufer und Kranich nisten.

„Dieses Moor könnte zerstört werden, damit Deutschland unseren Torf bekommt“, sagt die 45-jährige Anwältin Keerberg.

Die Idylle ist also bedroht.

Hiiu Turvas, ein Unternehmen mit deutschen Eigentümern, plant den Sumpf für den industriellen Abbau von Torf trockenzulegen. Liis Keerberg hat im Namen der Estnischen Ornithologischen Gesellschaft gegen die Regierung geklagt, die das Vorhaben genehmigt hat. Jetzt liegt die Zukunft des 7000 Hektar großen Vogelschutzgebietes in den Händen des Obersten Gerichts von Estland.

Grafik: SZ

„Ob es legal ist, Torfförderung in unberührten Mooren zu erlauben oder nicht, wird eine wegweisende Entscheidung sein“, sagt Keerberg. „Denn statt Moore zu renaturieren, graben wir immer mehr ab.“

Das Elbu-Moor ist nicht nur für Vogelschutz und Artenschutz wichtig. Unter seiner grünbraunen Moosdecke sind auch riesige Mengen an Kohlenstoff gespeichert. Torf ist eine fossile Ressource, die sich über viele Tausend Jahre unter Luftabschluss aus unvollständig zersetzten, abgestorbenen Pflanzen bildet. Obwohl Moore nur drei Prozent der Erdoberfläche ausmachen, speichern sie ein Drittel des gesamten Kohlenstoffs weltweit – fast doppelt so viel wie alle Wälder der Erde. Solange sie intakt sind.

Grafik: SZ. Quelle: Mooratlas 2023

Werden Moore entwässert oder abgebaut, wird der im Torfboden gebundene Kohlenstoff allerdings als CO₂ in die Atmosphäre freigesetzt. Weltweit macht das inzwischen fünf Prozent aller Treibhausgasemissionen aus.

In Deutschland sind derzeit 95 Prozent der Moore entwässert. Auf den meisten entwässerten Flächen wird Landwirtschaft betrieben, der Torfabbau ist von der Dimension her ein eher kleineres Problem – und eines, das zudem ausläuft. Seit den 1980er-Jahren dürfen in Deutschland nur noch degradierte und entwässerte Landwirtschaftsflächen „abgetorft“ werden. Es ist allerdings auch so gut wie kein naturnahes Moor mehr übrig, das man neu erschließen könnte. 

In ein paar Jahren soll der Torfabbau hierzulande zudem komplett Geschichte sein. Es sollen keine Abbaulizenzen mehr vergeben werden und die alten Lizenzen, die zeitlich begrenzt sind, laufen allmählich aus. Allein: Gebraucht wird der Torf bei uns trotzdem noch, denn auf Torf wachsen viele Pflanzen am besten und vor allem am schnellsten. Und deshalb importiert man ihn – zum Beispiel aus dem Baltikum. Aktuell werden in Deutschland selbst noch etwa 5 Millionen Kubikmeter Torf pro Jahr abgebaut. Etwa die gleiche Menge wird bereits heute importiert, zum größten Teil aus dem Baltikum.

Insgesamt werden in den baltischen Staaten jährlich 4,4 Millionen Tonnen Torf abgebaut und exportiert, dafür werden auch naturnahe Moore zerstört. Deutschland und die Niederlande sind die größten Importeure von baltischem Torf, der für Blumenerde aus dem Gartencenter und Wachstumssubstrate im industriellen Gemüse- und Zierpflanzenanbau verwendet wird. Ein lukratives Geschäft. „Es ist industrieller Kolonialismus, der hier stattfindet“, kritisiert Keerberg.

Holland: Ohne Substrate keine Lebensmittel

Die Region Westland in der Provinz Südholland ist als „gläserne Stadt“ bekannt. Hinter den beschlagenen Scheiben von Hunderten Gewächshäusern gedeihen Millionen Setzlinge in Torfsubstraten.

Foto: Nathalie Bertrams

Foto: Nathalie Bertrams

Die Niederländer gelten im Gewächshausanbau von Gemüse, Blumen und Zierpflanzen als weltweite Technologieführer.

Der Schlüssel zu diesem Erfolg? Die Entwicklung von Pflanzensubstraten, die auf Torf basieren.

Sie ermöglichen einen Hochleistungsgartenbau, der durch minutengenaue Temperatur-, Licht- und Bewässerungssystematik optimale Wachstumsbedingungen für Pflanzen schafft.

Die Niederlande haben allein im Jahr 2022 über 5 Millionen Tonnen Gemüse exportiert. Davon landet knapp ein Drittel in deutschen Supermärkten. Verbraucher kommen also fast nicht drumherum, Torf indirekt zu konsumieren.

Grafik: SZ

„Ohne Substrate keine Lebensmittel“, sagt Han de Groot vom niederländischen Verband der Blumenerde- und Substrathersteller (VPN) kategorisch. Der Branchenvertreter erklärt die Vorteile: Torf ist perfekt für Setzlinge und Jungpflanzen. Er speichert Wasser wie ein Schwamm und gibt es bei Bedarf ab. Er ist frei von Keimen und Krankheitserregern und hat einen konstanten, niedrigen Nährstoffgehalt. Einige Pflanzen wie Pilze, Salat und Erdbeeren könnten ohne Torf gar nicht angebaut werden, sagt de Groot. Bis 2025 werde die Industrie allerdings „den Einsatz nachwachsender Rohstoffe verdoppeln“ und „100 Prozent verantwortungsvoll gewonnenen Torf“ liefern. Heißt genauer: Man will sich beim Abbau an nationale und EU-Gesetze halten, Klima- und Umweltschutz beachten und die abgetorften Flächen, soweit das möglich ist, wiederherstellen.

„Soweit das möglich ist“ – nicht nur diese Einschränkung lässt die Biologin Karin Bodewits im gelderländischen Dorf Oosterbeek allerdings den Kopf schütteln.

Zusammen mit ihrem Mann hat sie die Organisation Turfvrij gegründet, die ein Torfverbot in den Niederlanden fordert. Ihrer Meinung nach geht es der Substratbranche nicht um europäische Lebensmittelsicherheit oder grüne Städte, sondern um eigene Profitinteressen. „Die Industrie versucht, wissenschaftliche Beweise zu diskreditieren. Sie tun so, als wäre es nicht so zerstörerisch, wie es tatsächlich ist“, sagt Bodewits.

Zwei Drittel des baltischen Torfs würden zudem für die Aufzucht von Topfpflanzen, Blumen und Ziersträuchern verwendet, also keine lebensnotwendigen Dinge. „Das ist pure Bequemlichkeit. Für den Kunden ist es schön, dass er im Laden nicht so viel Gewicht schleppen muss“, sagt Bodewits. „Aber für Zierpflanzen ist das reine Verschwendung.“ So auch Basilikumtöpfchen aus dem Supermarkt: „Das sind doch Wegwerfpflanzen, wir verwenden sie nur für eine Mahlzeit. Und dann werfen wir den Torf in den Müll.“ Dadurch sind Käufer mitverantwortlich für die Klimakrise und die Zerstörung wertvoller Biotope. Sie stellt die Frage: „Wenn es nicht ohne Torf wachsen kann, wollen wir diese Produkte dann überhaupt?“

Estland: Die schmutzigste Industrie

In Estland werden aktuell jährlich bis zu 1,5 Millionen Tonnen Torf auf 20 000 Hektar Fläche abgebaut. 2016 wurden die gesamten Moorflächen kartiert und insgesamt 150 000 Hektar für die potenzielle Torfproduktion ausgewiesen – eine Art Einkaufsliste für die Industrie.

Grafik: SZ. Quelle: Estonian Land Board 2023

Marko Kohv, Geologe und Moorspezialist an der Universität Tartu, sagt: „Die Torfindustrie ist neben Schieferölförderung die schmutzigste Branche in Estland. Wir wissen, dass sie enorme Emissionen verursacht, aber nicht viele Arbeitsplätze mit sich bringt. Warum machen wir das also?“

Foto: Nathalie Bertrams

Foto: Nathalie Bertrams

Kohv sorgt sich, denn die Anzahl der beantragten Genehmigungen für den Torfabbau ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen.

Estland besteht zu über zwanzig Prozent aus Moorland und der industrielle Torfabbau hat bereits mehr als zwei Drittel der Feuchtgebiete geschädigt.

Für gärtnerische Kultursubstrate und Blumenerden braucht die Industrie Weißtorf, den erst wenig zersetzten und besonders saugfähigen Torf aus der obersten Schicht des Moores. Um ihn abzubauen, müssen immer neue Gebiete erschlossen und Moore geöffnet werden, da nur die ersten 5 bis 15 Zentimeter benutzt werden – wie man auch hier im Vordergrund erkennen kann. 

Der darunter liegende Schwarztorf wird dann metertief abgegraben. Dabei dauert die Regeneration der Feuchtgebiete unfassbar lange: In gesunden, feuchten Mooren wächst Torf im Durchschnitt rund einen Millimeter pro Jahr.

Ein Zehntel der weltweiten Torfproduktion stammt aus Estland, alle drei baltischen Länder zusammen machen sogar ein Drittel der Produktion aus. Kein Wunder also, dass die baltischen Staaten auch zu den wichtigsten Exporteuren der Welt gehören.

Grafik: SZ. Quelle: BACI

Der Torfabbau ist so für zehn Prozent der gesamten CO₂-Emissionen Estlands verantwortlich, sagt das estnische Klimaministerium, mehr als alle Autos und Lastwagen des Landes zusammen. Experten aus der Industrie halten diese Berechnung für übertrieben – die EU rechne mit den Emissionswerten, die Torf freisetzt, wenn er zur Energiegewinnung verbrannt wird, was inzwischen fast überall verboten ist.

In Deutschland soll zumindest die Blumenerde für den Privatverbrauch, also die im Gartencenter, bis 2026 komplett torffrei sein. Das allein würde jährlich 400 000 Tonnen CO₂ einsparen, hat das Thünen-Institut in Braunschweig berechnet. Bis 2030 sollen auch die Substrate für den Erwerbsgartenbau weitgehend durch nachwachsende Rohstoffe ersetzt werden. Allerdings sind diese Vorgaben nicht bindend, sondern auf freiwilliger Basis. Und wie genau das gehen soll, durch was man den Torf in so großer Menge also ersetzen könnte, weiß keiner so genau.

Die bestehenden Alternativen haben auch Nachteile: Kompost ist eher für den Hobbybereich interessant – für den Hochleistungsgartenbau ist er wegen seiner wechselnden Qualität nur begrenzt einsetzbar. Kokosfasern, ein Abfallprodukt aus der Kokosmilchherstellung, sind zwar für das Pflanzenwachstum ideal. Aber sie kommen aus tropischen Ländern wie Indien oder Sri Lanka und sind wegen ihres Wasser- und Chemikalienverbrauchs umstritten. Holzfasern, der wichtigste Ersatzstoff im Profibereich, sind vor allem seit dem Ukraine-Krieg sehr teuer, da sie auch für Energiegewinnung benötigt werden.

Ein Lichtblick könnte der großflächige Anbau von Torfmoosen auf wiedervernässten Moorflächen sein, sagt Philip Testroet vom Industrieverband Garten (IVG). Hochmoore bestehen zu großen Teilen aus zersetztem Sphagnum-Moos, das auf der Oberfläche wächst. Die Pflanzen können große Mengen Wasser in ihren Zellen speichern und sind daher perfekt als Torfersatz für Substrate im Gartenbau.

In bereits abgetorften Hochmooren nun kann man nach einer Wiedervernässung diese Moose züchten. Würde man 35 000 Hektar entwässerter Hochmoore in Deutschland wieder nass machen und so nutzen, könnte das den jährlichen Bedarf von drei Millionen Kubikmeter Weißtorf (schwach zersetzter Torfmoos-Torf) in Deutschland ersetzen.

In Niedersachsen, wo der Großteil der letzten Torfabbaugebiete Deutschlands liegt, experimentiert man bereits mit dieser Art der Paludikultur, also Landwirtschaft auf nassen Flächen: 

Foto: Nathalie Bertrams

Sphagnum-Moos-Anbau auf wiedervernässten Mooren.

Um das im großen Stil umzusetzen, müsste der Anbau aber Landwirten erst schmackhaft gemacht werden, sagt Testroet. Neben Subventionen für Landwirtschaft auf wiedervernässtem Land statt auf entwässertem bräuchte es dafür Investitionen in die Handelskette, um die Biomasse in den Gartenbau zu bekommen. Testroet bezweifelt, dass das in den nächsten zehn Jahren in relevanter Dimension klappt. Ob genug Moos produziert werden kann und ob der Anbau überhaupt rentabel ist, ist fraglich.

Merten Minke vom Thünen-Institut glaubt, dass der Wille zum Wechsel zwar in Politik und Wirtschaft vorhanden ist. Das größte Problem ist seiner Einschätzung nach aber der noch sehr hohe Preis von Torfersatzstoffen, die derzeit etwa zehnmal so viel kosten wie Torf. Würde man die Folgekosten der Torfnutzung mit einpreisen, sagt er, wäre Torf deutlich teurer. Moralisch sei es nicht richtig: „Wir beenden den Torfabbau hier und holen den Torf von woanders. So verlagern wir die Probleme in andere Länder. Wir müssen die Zerstörung der Moore überall beenden.“

„Torf ist ein billiges Material – weil die externen Kosten wie CO₂-Ausstoß, Wasserprobleme und verlorene Artenvielfalt nicht im Preis enthalten sind“, sagt auch Marko Kohv in Estland. Im Baltikum ist der Abbau aufgrund niedriger Pacht- und Arbeitslöhne und unzureichender Naturschutzvorschriften äußerst profitabel. Die Kosten der Wiederherstellung abgetorfter Flächen fließen nicht in den Preis ein und der Produktionsprozess ist einfach und hoch mechanisiert. „Alles, was man braucht, ist ein Bagger“, sagt Kohv. „Und der Gewinn fließt an die ausländischen Eigentümer.“

Foto: Nathalie Bertrams

Viele internationale Firmen haben ihre Torfproduktion inzwischen ins Baltikum verlegt. 

In Estland dominieren niederländische Unternehmen und im benachbarten Lettland gehört mehr als die Hälfte der Torfproduktionen deutschen Eigentümern. Chris Blok von der Universität Wageningen in den Niederlanden prognostiziert, dass sich die weltweite Nachfrage nach Torf bis zum Jahr 2050 vervierfachen wird. Bis 2030 werde außerdem China 35 Millionen Kubikmeter benötigen – das ist fast der gesamte derzeit weltweit verfügbare Torf. China setzt inzwischen vermehrt auf Gewächshausanbau, um seine 1,4 Milliarden Einwohner zu ernähren.

Estland: Die Tricks der Industrie

Was übrig bleibt von einem Moor, wenn der Torf mal komplett abgebaut wurde, kann man in Estland sehen. Marko Kohv ist Geologe, er läuft über ein staubtrockenes Feld. 

Auf dem Tähtvere-Moor, das während der sowjetischen Besatzung für Heizmaterial abgetorft wurde und seitdem brachliegt, wächst immer noch nichts. Nur ein paar kleine Birken, deren Wurzeln der Wind freigelegt hat, suchen nach Wasser. 

Foto: Nathalie Bertrams

Die Natur hat sich hier selbst nach drei Jahrzehnten nicht erholt, erklärt Kohv und lässt eine Handvoll dunkler Erde durch seine Finger rieseln.

Die kahle Torfschicht ist hochentzündlich. „Die meisten ehemaligen Torfanbaugebiete sind in etwa demselben Zustand“, sagt er.

Eigentlich sollten nach der europäischen Gesetzgebung abgetorfte Moore auch auf dem Baltikum wiedervernässt werden. Aber viele Unternehmen bedienen sich hier eines einfachen Tricks, um die Instandsetzung zu umgehen oder aufzuschieben. Sie können nach Ablauf ihrer Lizenz einfach neue Genehmigungen für angrenzende Flächen beantragen und so die Verpflichtung zur Renaturierung um weitere 25 bis 30 Jahre verlängern. Die Produzenten machen den Gewinn, aber die Kosten lagern sie aus. Derzeit saniert die estnische Regierung 2000 Hektar entwässerter Moore aus der Torfgewinnung der Sowjetzeit. Nach Angaben des Klimaministeriums wurden bisher 13,35 Millionen Euro in die Wiederherstellung von Feuchtgebieten investiert, größtenteils finanziert von der Europäischen Union. „Es sind also deutsche und niederländische Steuergelder, die nach Estland fließen, um die Probleme der Torfindustrie zu lösen“, sagt Kohv.

Lettland: Messen für die Zukunft

Im Nachbarland Lettland, eine Autostunde von der Hauptstadt Riga entfernt, misst Māra Pakalne im Ķemeri-Nationalpark mit zwei Kollegen vom staatlichen Forstinstitut die CO₂-, Methan- und Sauerstoffemissionen im Feuchtgebiet.

Grafik: SZ

Foto: Nathalie Bertrams

Foto: Nathalie Bertrams

Die Forscherin Pakalne von der Universität Lettland ist für das von der EU-Kommission finanzierte Projekt „Life Peat Restore“ zuständig, das Hochmoor-Lebensräume in Europa renaturiert.

Sie und ihr Team machen Studien in renaturierten und in naturnahen Mooren wie hier, messen Treibhausgase und vergleichen die Ergebnisse vor und nach der Vernässung.

Die wenigen noch wirklich naturnahen Moore Europas, von denen so viele noch im Baltikum liegen, sind mehr als klimaschützende Kohlenstoffsenken, erklärt die lettische Biologin.

Intakte Moore regulieren den Wasserhaushalt, dienen als Filter für klares Trinkwasser und helfen sowohl bei Dürre als auch Überschwemmungen. Sie kühlen das lokale und regionale Klima und sind Lebensraum für seltene und gefährdete Tier- und Pflanzenarten. Aber all das können sie nur leisten, wenn sie gar nicht erst trockengelegt wurden.

Foto: Nathalie Bertrams

Der Versuch, entwässerte Moore zu sanieren, wie man es hier erkennen kann, ist zudem sehr aufwendig.

 „Wenn man die Torfgebiete zerstört, verliert man die gesamte Artenvielfalt“, sagt Pakalne. Es sei unmöglich, nach dem Torfabbau die natürliche Vegetation vollständig wiederherzustellen. „Man kann die CO₂-Emissionen stoppen durch eine Wiedervernässung und auch einige Arten ansiedeln. Aber die natürlichen Auen, Senken, Moorhügel und all diese fantastischen Landschaften, die sich über Jahrtausende entwickelt haben, bekommt man nicht wieder.“

Die Rechtsanwältin Liis Keerberg im estnischen Elbu-Hochmoor stimmt Pakalne zu. „Es geht darum, ob die Regierung ihre Versprechen hält, unsere Natur zu schützen“, sagt sie. „Das Gebiet beherbergt wertvolle Lebensräume und Arten. Die Frage ist, ob Estland dafür verantwortlich ist, diese Werte zu erhalten oder nicht.“ Keerberg kann nicht nachvollziehen, warum die estnische Regierung zulässt, dass unberührtes Moorland zerstört wird. „Torf gehört in den Boden, nicht in eine Tüte“, sagt sie.

Die Recherche zu diesem Artikel wurde von Journalismfund Europe unterstützt.

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